Fluktuation und Haftungsrisiko
Wie der Fachkräftemangel die Berufshaftpflicht betrifft
„Wo starke Fluktuation herrscht, entsteht meistens keine richtige Bindung zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber, wodurch sich die Fehlerwahrscheinlichkeit im Tagesgeschäft erhöht.“ – Jan-Eric Reiß
Fluktuation erhöht Fehlerquote
Die meisten Berufshaftpflichtversicherungen werden derzeit anhand des Umsatzes berechnet, bedeutet je höher der Umsatz, desto größer der Beitrag zur Berufshaftpflichtversicherung. Und da spannt sich der Bogen zu den Mitarbeitenden und Fachkräften, denn diese sind ja quasi mit dafür verantwortlich, dass der Umsatz höher oder ggf. auch niedriger ausfällt.
Der Fachkräftemangel führt seit Jahren zu einer Art “Kampf” um die besten Mitarbeiter:innen und viele Arbeitnehmende werden heiß umworben und können häufig – meist zu deutlich besseren Konditionen – das Arbeitsverhältnis wechseln.
Wo starke Fluktuation herrscht, entsteht meistens keine richtige Bindung zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgeber, wodurch sich die Fehlerwahrscheinlichkeit im Tagesgeschäft erhöht. Weiter braucht es meistens auch Zeit und kostet Geld, die neuen Mitarbeitenden in die aktuellen Projekte einzuarbeiten bzw. in den generellen Arbeitsablauf zu integrieren. Für diesen Onboarding-Prozess wird meistens eine Fachkraft abgestellt, die dann an anderer Stelle fehlt. Gemessen an der Vielzahl von Aufgaben und größeren Verantwortlichkeiten schleichen sich kleinere Fehler immer häufiger ein. Auch kann die Geschäftsführung des Büros nicht mehr jeden Schritt mit “Argus-Augen” überwachen, prüfen und anschließend freigeben.
Die Person ist weg, der Schaden noch da...
Doch das größte Problem aus der täglichen Arbeit mit Ingenieurbüros sehen wir jedoch im späteren Schadensfall, denn für die Berufshaftpflichtversicherung gilt die Verstoßtheorie – das heißt, dass die Schäden bzw. die jeweiligen Verstöße meistens schon mehrere Jahre zurückliegen, ein konkreter Schadenfall aber erst jetzt ersichtlich wurde. Und hier kommt dann für die verantwortlichen Geschäftsführer:innen die meiste Arbeit ins Spiel, denn häufiger sind die damals zuständigen Personen nicht mehr in diesem Unternehmen tätig. So muss sich z. B. die Geschäftsführung oder der Inhaber oder die Inhaberin mit den alten Planungs-/Bau-Akten vertraut machen und versuchen aus den Unterlagen den möglichen Fehler zu identifizieren sowie i. d. R. oftmals gerichtlich im Rahmen eines Schadenersatzspruchs-Prozesses dazu detailliert Stellung zu nehmen.
„Ein gutes Teamwork und ein respektables Miteinander sind entscheidender als je zuvor.“ – Jan-Eric Reiß
Am Ende haftet die Geschäftsführung
Für viele Ingenieur*Innen ist oft überraschend: Hier greift durch den individuellen Berufshaftpflichtvertrag auch das Versicherungsvertragsgesetz, wodurch jede:r Versicherungsnehmer:in verpflichtet ist, einen Schadenfall auch ordnungsgemäß (“obligatorisch”) dem zuständigen Berufshaftpflichtversicherer unmittelbar anzuzeigen bzw. im Schadenformular, die Vorwürfe des Anspruchsgegners erklären zu müssen.
Mit diesem Prozess ist ein erheblicher Zeitaufwand und eine komplexe Detail-Arbeit verbunden!!!
Und genau das führt in der Büro-Praxis derzeit häufig zu Überstunden und Nachtschichten bei vielen Geschäftsführer:innen; denn im Endeffekt sind sie es, die final die Verantwortung tragen!
Unser “Learning”
Bei vielen ist derzeit in aller Munde der berühmt berüchtigte Obstkorb – und andere, vermeintlich gut gemeinte Mitarbeiter-Incentives.
Dies ist ein guter Anfang, doch es gehört derzeit viel mehr dazu, die Mitarbeitenden zu halten und zu binden.
Ein gutes Teamwork und ein respektables Miteinander sind entscheidender als je zuvor.
Wenn Sie als Geschäftsführer:in Verantwortung tragen: Verringerung Sie das Risiko für Fluktuation und ersparen Sie sich mühevolle Nachtschichten! Investieren Sie in qualifizierte Mitarbeiterbindung! Denn letztendlich sind es die Mitarbeitenden, die das Unternehmen am Laufen halten – oder nicht?! Und ein Ende des Fachkräftemangels ist nicht in Sicht.
Der Autor #Gastbeitrag
Jan-Eric ist seit 2011 in der Versicherungsbranche und seit 2014 ausschließlich im Bereich der Bauversicherung tätig – mit dem Schwerpunkt auf der Berufshaftpflicht für Architekten und Ingenieure. Nach dem erfolgreichen Abschluss zum Kaufmann für Versicherungen und Finanzen im Jahr 2014 baute er sich in einem Selbststudium und mit Unterstützung von 2 großen Versicherern ein solides Wissen im Bereich der Berufshaftpflichtversicherung auf.
Von 2016 bis 2018 erfolgte im Rahmen des Studiums zum Fachwirt für Versicherungen und Finanzen ein Grundlagenaufbau im Bereich der Betriebswirtschaftslehre. Anschließend konnte er im Studium zum Haftpflicht-Underwriter (DVA) von 2019 bis 2020 sein Wissen für die Baubranche vertiefen. Seit dem 01.07.2023 ist Jan-Eric beim Versicherungsmakler der Ingenieure (VMI), mit Sitz in Lübeck, für den Norddeutschen-Raum im Außen – und Innendienst tätig. Mehr Infos unter: www.vm-ingenieure.de
JAN-ERIC REIß
Versicherungsmakler der Ingenieure GmbH