„BIM ist mehr als ein 3D-Modell – es geht um eine neue Denkweise“
Interview mit Gizem Celebi über Digitalisierung, Change Management und Frauen in der Baubranche

„Digitalisierung ist in Medien, auf Unternehmerforen und in Strategiepapieren omnipräsent.“ – Dr. Anette Fintz
Fluktuation erhöht Fehlerquote
Gizem Celebi war BIM-Managerin bei einem Baukonzern und trieb dort über sechs Jahre lang die Digitalisierung voran. Mittlerweile hat sie sich in dem Bereich selbstständig gemacht. Im Gespräch erzählt sie, warum BIM mehr ist als ein hübsches Modell, wie man Widerstände in Bauprojekten überwindet – und über Frauen in der Baubranche.
Gizem, was genau machst du als BIM-Managerin?
Ich bin verantwortlich für die Implementierung von BIM in Bauprojekten – das bedeutet: Ich koordiniere interne und externe Teams, entwickle Prozesse, definiere Anforderungen und unterstütze bei der Anwendung in der Praxis. Als ich bei meinem letzten Arbeitgeber vor über sechs Jahren in die Rolle gekommen bin, gab es bei uns zwar schon die ersten BIM-Modelle, aber keinen strukturierten Umgang damit. Kollegen saßen tagelang an Modellen, ohne wirklich Mehrwert zu schaffen. Ich habe dann das Management aufgesetzt, vertragliche Rahmenbedingungen formuliert, Mindestanforderungen für Planer definiert – und dadurch die Prozesse deutlich beschleunigt.

„Seit ChatGPT löst das Wort Digitalisierung einen starken Gefühlscocktail aus, dessen Zutaten zu unterschiedlichen Anteilen aus Faszination, Hoffnung, Begeisterung, Furcht und Ohnmacht bestehen.“ – Dr. Anette Fintz
Wie bist du überhaupt zu BIM gekommen?
Mein Traum war immer das Projektmanagement, weil ich dachte, dass man dort die größten Hebel hat, um Bauprojekte erfolgreich zu machen. Tatsächlich habe ich aber gemerkt, dass ich mit BIM noch viel mehr bewegen kann. Im Studium wurde das Thema kaum behandelt – maximal in ein, zwei Nebensätzen. Und die wenigen Veranstaltungen zu dem Thema waren in Windeseile voll. Wirklich gelernt habe ich es in der Praxis. Besonders spannend fand ich die Kombination aus Technik, IT und der Möglichkeit, etwas in der Branche zu verändern.
Wo siehst du das größte Potenzial von BIM?
Die Baubranche ist extrem informationslastig: Ein BIM-Modell kann über 50.000 Bauteile enthalten – mit jeweils zig Informationen. Wenn man das gut strukturiert, wird aus dieser Datenflut ein echter Vorteil. Man kann schneller Mengen ermitteln, Kollisionen erkennen oder Bauprozesse effizienter steuern, in dem das ganze Projektteam mit einer “single source of truth” arbeitet. Ziel ist es, durch digitale Modelle frühzeitig Fehler zu vermeiden – das spart am Ende Zeit und Geld.
Was glaubst du, warum tut sich die Baubranche mit der Digitalisierung so schwer?
Da gibt es mehrere Gründe. Erstens: Bauprojekte dauern oft mehrere Jahre, und viele Verantwortliche sind risikoavers – gerade auf der Baustelle. Wer ein Projekt leitet, will verständlicherweise keine Experimente machen, da es um große Verantwortung geht, führungstechnisch, finanziell und vor allem muss das Projekt sicher, pünktlich und im Budget abgeschlossen werden. Zweitens: Es fehlt häufig am Verständnis. Viele denken, BIM sei nur ein 3D-Modell zur Visualisierung. Dass es eigentlich um strukturiertes Informationsmanagement geht, ist weniger bekannt. Und drittens: Es fehlt in der Baubranche oft die emotionale Kompetenz, Veränderung wirklich zu begleiten. Man muss Menschen mitnehmen, nicht nur Tools und die Technik dahinter zeigen.
Wie meinst du das?
Ich habe schnell gemerkt, dass die reine Aufzählung von Vorteilen über die BIM-Methode nicht reicht. Man muss nicht nur erklären können, warum BIM hilfreich ist, sondern den einzelnen Menschen nach seinen Motiven, Wünschen und Ängsten fragen. Ich habe deshalb ein Verkaufsseminar besucht, um genau das zu lernen: Zuhören, Analysieren, Werte identifizieren, danach Vertrauen aufbauen und der Person eine passende Lösung anbieten. Denn viele fühlen sich schnell angegriffen, wenn man impliziert, dass ihre bisherige Arbeit „veraltet“ sei. Meiner Meinung nach, müssen erst die Menschen hinter der Technologie verstanden werden, bevor eine Methode oder Technologie wirklich zum Einsatz kommt, die ja von den Menschen bedient werden soll. Mensch bedeutet Werte, Emotionen, Ängste und Wünsche. Ein sehr wichtiger Aspekt im Change Management.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Einführung von BIM in Unternehmen?
Ganz klar: Es ist eine Investition in die Zukunft – ohne sofortigen Output. Man muss Zeit, Geld und Ressourcen einplanen, um Prozesse zu entwickeln, Teams zu schulen und neue Rollen wie BIM-Manager zu etablieren. Viele unterschätzen auch die Vielfalt an Tools, die es auf dem Markt gibt, und erwarten, dass sich Bauleiter nebenher alles selbst aneignen. Das funktioniert nicht. Wer das Thema wirklich will, braucht Spezialisten und eine klare Strategie, um in kürzester Zeit ein funktionierendes System zu implementieren – und nicht erst nach 10 Jahren.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Einführung von BIM in Unternehmen?
Ganz klar: Es ist eine Investition in die Zukunft – ohne sofortigen Output. Man muss Zeit, Geld und Ressourcen einplanen, um Prozesse zu entwickeln, Teams zu schulen und neue Rollen wie BIM-Manager zu etablieren. Viele unterschätzen auch die Vielfalt an Tools, die es auf dem Markt gibt, und erwarten, dass sich Bauleiter nebenher alles selbst aneignen. Das funktioniert nicht. Wer das Thema wirklich will, braucht Spezialisten und eine klare Strategie, um in kürzester Zeit ein funktionierendes System zu implementieren – und nicht erst nach 10 Jahren.
Es geht ja auch darum, Fehler machen zu dürfen. Gerade komplexe Prozesse wie BIM werden ja nicht sofort reibungslos laufen, nachdem sie implementiert wurden. Welche Rolle spielt die Fehlerkultur bei der Digitalisierung auf der Baustelle?
Sie ist noch nicht so weit wie in anderen Branchen, etwa der IT. Dort weiß man: Fehler gehören zur Entwicklung dazu. Auf der Baustelle hingegen erwartet man, dass neue Tools sofort funktionieren, sonst ist die Enttäuschung groß. Viele lassen sich dann gar nicht erst auf ein zweites Projekt mit BIM ein. Dabei ist es völlig normal, dass neue Prozesse nicht von Anfang an reibungslos laufen.
Und wo wir bei Kultur sind: Wie steht es deiner Meinung nach um Frauen in der Baubranche? Wie sind da deine Erfahrungen?
Ich persönlich hatte keine großen Probleme – aber natürlich gab es Situationen, in denen man als Frau nicht sofort ernst genommen wird, vor allem als junge Praktikantin auf der Baustelle. Es ist aber weniger eine Frage des Geschlechts als der Kommunikation: Wer seine Ideen überzeugend rüberbringen kann, wird gehört – egal ob Mann oder Frau.
Der Frauenanteil ist ja in der Baubranche traditional eher gering. Wie sieht es im digitalen Bausektor aus – etwa in BIM oder Lean Management?
Tatsächlich ist er dort deutlich höher als auf der klassischen Baustelle. Ich würde sagen: ungefähr 50:50. Das zeigt, dass die Branche sich wandelt – gerade in Bereichen, die innovativ und strategisch geprägt sind.
Was wünschst du dir für die nächsten zehn Jahre in der Baubranche – in Bezug auf Digitalisierung und Personal?
Ich wünsche mir, dass der Wandel stärker von oben angestoßen wird – also von Auftraggebern, insbesondere der öffentlichen Hand. Dort liegen riesige Potenziale, zum Beispiel durch die Vermeidung von Nachträgen oder Verzögerungen. Und ich wünsche mir, dass mehr Unternehmen in Menschen investieren, die Veränderung aktiv gestalten können – mit Fachwissen, aber auch mit Erfahrung und Kommunikationsstärke. Dann kann die Baubranche endlich das ausschöpfen, was wirklich in ihr steckt.
PRAXISBEISPIEL
Wie in einem Handwerksbetrieb die Einführung von Digitalisierung durch die bewusste Sinn-Orientierung gelingen kann, lässt sich sehr gut an folgendem Beispiel zeigen. Es handelt sich um ein Unternehmen im südwestdeutschen Raum, das heute in vierter Generation geführt wird und sechzig Mitarbeitende hat.
Der Betrieb für Heizung und Sanitär wurde 1927 gegründet. Der Gründer hatte vor knapp hundert Jahren klar formuliert, dass es bei seiner Dienstleistung darum geht, Menschen ein behagliches zu Hause zu ermöglichen. Anfangs bot man also an, überhaupt Waschgelegenheiten mit warmem Wasser in Wohnungen und Häusern einzubauen, später wurden Kupfer-Bettflaschen repariert, bevor im Wirtschaftsaufschwung moderne Bäder und Heizungen entworfen und eingebaut wurden.
Heute kommt der Fachmann mit iPad und Servicewagen zum häufig auch online vereinbarten Termin ins Haus. Der Techniker kann von dort aus das digitalisierte Lager nach Ersatzteilen abfragen und sich mit weiteren Spezialisten des Betriebs einfach vernetzen, auch wenn diese selbst bei Kunden sind.
Kund:innen finden es richtig gut, wie einfach es ist, mit Handwerkern zu arbeiten.
Bis zur heute vierten Generation haben sich die Geschäftsführer und ihr Team an den Sinn des Unternehmens erinnert. Immer ging und geht es darum, dass sich Menschen in ihrem zu Hause oder an ihrem Arbeitsplatz wirklich wohl fühlen können – zumindest was das Raumklima betrifft. Entsprechend kümmerte sich die jeweilige Geschäftsführung immer sehr gut um „ihre“ Handwerker und Mitarbeiter:innen im indirekten Bereich. Kurz gesagt: die Unternehmensfitness wurde immer gehalten.
Dennoch wurde die geplante Digitalisierung des Lagers zunächst heftig diskutiert. Schließlich war das Lager mit viel Grips und Erfahrung aufgebaut und viele der mittlerweile sechzig Mitarbeiter fanden das Material praktisch blind. Unter dem Sinn-Aspekt wurde klar, dass ein digitalisiertes Lager zusammen mit weiteren Digitalisierungsmaßnahmen wie der weiteren Vernetzung dem Kundenwohl dient. Die Vernetzung dient nicht der Kontrolle, ob der Handwerker gerade beim Bäcker ein Leberkäsweckle isst (das darf er nämlich gerne tun), sondern dem Check, ob ein Kollege dem anderen gerade vor Ort mit seiner Expertise oder seinem Material „an Bord“ beispringen kann.
Beim Besuch des Unternehmens begegnen mir junge und erfahrene Mitarbeiter. Alle ziehen bei der sich ständig erweiternden Digitalisierung des Unternehmens mit.
Die gemeinsame Orientierung am Sinn, gegenseitiges Vertrauen und die Lust daran, Kunden zu begeistern. Diese „Zutaten“ gehören ganz wesentlich zum Erfolgsrezept.
Was sicherlich auch unterstützend wirkt, ist die fachliche Auseinandersetzung mit IT. Und tatsächlich: ohne sich wenigstens einigermaßen mit den technischen Hintergründen und der Bedeutung von Vernetzung und KI zu beschäftigen, wird man sich in Unternehmen in Zukunft schwertun. Aber Bilanzenlesen ist auch nicht jedermanns Lieblingsbetätigung und trotzdem muss eine Führungsperson sich damit beschäftigen.
Es gibt viele Betriebe, deren Mitarbeitende lieber alles beim Alten lassen würden. Veränderung ist immer anstrengend und nicht jeder nimmt sie als Triebfeder. Dennoch funktioniert Digitalisierung hervorragend selbst in einem Handwerksbetrieb, also einer Branche, die nicht gerade verdächtig ist, IT-affine Mitarbeitende zu beschäftigen.
Kündigungen gab es in den letzten Jahren in diesem Handwerksbetrieb bislang keine, Bewerbungen viele.
Mit einer klaren Vision in die Zukunft
Auch in Zukunft bleibt Riverstate seinem Leitsatz treu: beste Qualität für jede Art der Suche – ohne Barrieren.
„Warum sollte man Direktansprache inklusive personalisierter Ansprachevideos nur für Top-Positionen nutzen?”, sagt Marco Angeli, „gerade bei dringend benötigten Fachkräften darf nicht mit angezogener Handbremse rekrutiert werden. Riverstate setzt auf alle Methoden – für alle Suchen, je nach Bedarf und Ziel. Denn im Recruiting zählt nur eines: der Erfolg. Und Erfolg bedeutet, wenn der passende Mitarbeiter kommt, unterschreibt, bleibt und beide Seiten zufrieden sind.“
Deshalb testet, adaptiert und integriert Riverstate auch weiterhin laufend neue Ansätze, optimiert Prozesse und begleitet seine Kunden mit Weitblick.
Ein verlässlicher Partner für messbare Wirkung – für den Mittelstand, für Engineering & Construction.
Sie sind auf der Suche nach qualifizierten Fachkräften im Bereich Engineering & Construction? Lieber gleich zu den Experten. Kontaktieren Sie uns und wir werden gemeinsam mit Ihnen die Suche nach Ihrem Personal neugestalten.
Über Gizem Celebi
Mit Vision und Verstand in die digitale Bauzukunft: Seit über sechs Jahren bewegt sich Gizem an der Schnittstelle von Bauwesen und Digitalisierung. Bis vor Kurzem noch festangestellt bei einem GU wagt sie nun den Schritt in die Selbstständigkeit – mit einer klaren Mission: Die Bauwelt digitaler, effizienter und menschlicher zu gestalten.
Was sie dabei auszeichnet? Gizem kennt das Thema BIM aus nahezu jeder Perspektive: Sie hat modelliert, entwickelt, geschult, koordiniert und gemanagt – und bringt dieses ganzheitliche Verständnis nun als Beraterin und Umsetzerin in ihre Projekte ein.
Dabei weiß sie: Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Wer Veränderungen erfolgreich gestalten will, braucht mehr als nur Tools und Prozesse – er muss Menschen mitnehmen. Werte, Haltung und Emotionen spielen eine zentrale Rolle. Genau diese Erkenntnis war für Gizem der Anstoß, ihre eigene Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Mit ihrer Arbeit will sie nicht nur Strukturen modernisieren, sondern Begeisterung wecken – für eine Bauwelt, die intelligenter denkt, mutiger handelt und menschlicher führt.
FLORIAN KUGEL
Redakteur und Qualitätsmanager
